Boreout und die Sache mit der Langeweile

Rosige Aussichten in Deutschland. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich prächtig.

Die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr. Läuft also in der deutschen Wirtschaft, könnte man meinen. Und es könnte ja auch wirklich alles so schön sein, wäre der Job doch für viele Arbeitnehmer nicht immer so schrecklich langweilig. Das zumindest geht aus einer aktuellen Arbeitsmarktstudie der Personalberatung Robert Half hervor. Demnach ist ein Großteil der Angestellten bis zu acht Stunden pro Woche, also einen vollen Arbeitstag von ihren Aufgaben im Job gelangweilt. Und das aus unterschiedlichen Gründen. Die einen fordert das Aufgabenprofil nicht, andere Gelangweilte beklagen zu viele oder einfach schlecht organisierte Meetings. Weit verbreitet ist auch das Problem der mangelnden Vielfalt innerhalb der eigenen Funktion. Aber auch die immer fortschreitende Digitalisierung in den Betrieben geht den Jobs mächtig an den Kragen.

Inzwischen kommen immer mehr Roboter zum Einsatz und übernehmen quer durch die Hierarchien und Branchen schon viele Aufgaben. Betroffen sind nicht nur Angestellte und Büroarbeiter, sondern ganz besonders auch die in Produktionsbetrieben beschäftigen Handwerker und Industriearbeiter:

„Früher haben wir Autos gebaut, heute machen das Roboter für uns,“ sagt Heribert S., Bandarbeiter bei Opel. 

Es kann also sein, dass der Mitarbeiter zwar morgens seinen Dienst antritt, aber bis auf das Ein- und Ausschalten des Computers eigentlich keine weitere Tätigkeit mehr ausübt. So kann ein achtstündiger Arbeitstag quälend langweilig werden und zermürben. Inzwischen gehen Wissenschaftler davon aus, dass schon jeder 2. Arbeitnehmer im Unternehmen an Boreout Symptomen leidet. „Denn auch eine dauerhafte Unterforderung im Job kann genauso schädlich sein, wie permanenter Stress und zu psychischen Beschwerden führen, die sich z.B. Depressionen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit etc. äußern und damit den Burnout Symptomen sehr ähnlich sind, sagt der Frankfurter Psychotherapeut Werner Merkle. Mitarbeiter, die sich langweilen, empfinden häufig Druck, den sie sich selbst auferlegen und vielfach versuchen die Betroffenen ihre Unterforderung zu vertuschen, was jedoch zu besonders starkem Stress führt.“ Bore Out: früher mal eine bewährte Mobbingmethode, um unliebsame Mitarbeiter schnell los zu werden, heute eine Folge der Digitalisierung?

 Jobkiller Digitalisierung?

Und dabei sollte die moderne Technik dem Menschen den harten Arbeitsalltag eigentlich erleichtern und ihm mehr Freiraum und Muße für die angenehmen Dinge des Lebens eröffnen. So zumindest prophezeite es der Ökonom John Maynard Keynes, 1930 in einem Essay über die „ökonomischen Möglichkeiten unserer Enkel.“ Ganz hellsichtige Geister wussten aber schon früher, was auf die Bürger der Moderne zukommen sollte. Schon William Shakespeare ließ im Jahre 1601 seinen Hamlet klagen, dass die Zeit aus den Fugen geraten sei. Nun ist das keynsianische Mußeparadies zwar bis heute ausgeblieben. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Denn der Siegeszug der künstlichen Intelligenzen und anderer Technologien setzt sich unaufhaltsam fort. Eine technische Revolution, die viele Arbeitsplätze in Zukunft verschwinden lässt, aber nicht gleichzeitig genügend neue schafft. Im Gegenteil: Sie ersetzt die menschliche Arbeitskraft vollständig und meistens sogar noch besser. Dieser Ansicht sind zumindest die Wissenschaftler der University of Oxford in ihrer aktuellen Studie „Future of Employment.“ Aber auch der Publizist und Philosoph Richard David Precht sagt: „Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird auch in Deutschland Millionen Arbeitplätze kosten. Eine Herausforderung, der sich die Gesellschaft nicht einmal ansatzweise gestellt habe. „Wir dekorieren die Liegestühle und die Titanic geht unter,“ so Precht.

 Alles wird anders

 Nun haben die Politiker scheinbar gerade keine Zeit über die kommenden Veränderungen in der Arbeitswelt nachzudenken, aber vielleicht fehlt ihnen auch einfach nur die Vorstellung darüber. Fakt ist dennoch, dass die digitale Revolution die Wertschöpfung und die Arbeitswelt dramatisch verändern werden. In vielen Branchen bleibt kein Stein auf dem anderen. Die lebenslange fixe Anstellung ist bald endgültig Geschichte, ja sogar Kollektivverträge, die Jahrzehntelang als „Heiligtum“ galten, haben ihr Ablaufdatum erreicht. Deswegen müssen „Erwerbstätige selbst zu Regisseuren ihres Berufslebens werden,“ schreibt Johanna Zugmann in ihrem Buch, Karriere neu denken: Ende, Wende, Neuanfang. Die Hände vor die Augen zu halten und die Schleife bis zum finalen Countdown, einfach nur abzusitzen, kann schließlich auch keine Option sein.

 Marke „EGO“ entwickeln

Mehr Abwechslung im Job liegt deshalb nicht nur allein in der Verantwortung der Chefs. „Auch Arbeitnehmer können mit viel Selbstreflektion und entsprechenden Maßnahmen, z.B. den Chef nach verantwortungsvolleren Projekten fragen, selbst der akuten und dauerhaften Langeweile entgegentreten,“rät Thomas Hoffmann, Director North bei Robert Half.

Wer aber seinen Arbeitsalltag als wenig auslastend empfindet und in Gefahr läuft, an Boreout zu erkranken, sollte, so Wolfgang Merkle möglichst früh Initiative ergreifen und seinen Arbeitgeber auf die bestehenden Probleme ansprechen und eine gemeinsame Lösung finden. Eine Vollzeitstelle könne dann vielleicht auch zu einer Teilzeitstelle werden, rät der Experte. Dies könne zwar weniger Gehalt bedeuten, aber die Betroffenen seien im Büro wieder ausgelastet, und könnten die freie Zeit sinnvoll für erfüllendere Tätigkeiten nutzen, so Merkle. So werde auch die Arbeit in sozialen Einrichtungen, aber auch Ehrenämter in Zukunft immer gefragter sein. Darüber sind sich inzwischen auch viele Arbeitsforscher einig.

„Die Marke Ego entwickeln und die Arbeit nicht mehr als eigentlichen Lebensinhalt sehen,“ raten die Experten. Da kann einem doch schon etwas mulmig werden. Dennoch haben viele Menschen gerade für diese Entwicklung über Jahrhunderte mühsam gekämpft. Statt materiellem Wohlstand mehr Freiheit und Selbstentfaltung! „Der Mensch wird langfristig von der entfremdeten Arbeit befreit sein, sagt Richard David Precht. Kaum Lohnarbeit, dafür bedingungsloses Grundeinkommen, vier Tage Woche und Selbstbestimmung für alle.“ So gesehen müsste Frau Wagenknecht doch quasi einer der größten Fans der Digitalisierung sein, oder nicht?

Bild: Rosen Harmens on Unspash

6 Kommentare zu „Boreout und die Sache mit der Langeweile

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