Overload – Das unsichtbare Gift

Das Leben schmilzt zum Arbeitsleben, las ich neulich in einer Kolumne. Alles habe einen Bezug zum Job. Sogar die Hobbys seien nur noch ein Kasernenhof, auf dem die Menschen sich für die tägliche Arbeitsschlacht abrichteten.

Joggen um fit zu bleiben – bloß nicht fehlen. Boxen für die Durchsetzungskraft – bloß nicht beim Meeting als zu weich gelten. Bergsteigen für mehr Zielstrebigkeit – bloß nicht zu spät den Projektgipfel erreichen. Und nicht zu vergessen, eine gesunde Ernährung, damit wir top fit und vor allem leistungsfähig bleiben.

Keine Frage, die Diskussion um den allgegenwärtigen Effizienzmodus ist das Zeitgeistthema Nr. 1 der global-digitalisierten Leistungsgesellschaft. Darüber kann man gelegentlich schmunzeln oder sich einfach nur fragen, wieso es nicht mehr ausreicht, sich beim Sport nur zu erholen? Wieso sich alles dem Job unterordnet und die Arbeit unserem ganzen Leben?

Aber noch viel interessanter scheint in diesem Zusammenhang die Frage, wieso wir zwar stets das Optimale für unseren Körper wollen, aber gleichzeitig unsere mentale Gesundheit vernachlässigen?

Wirft man einen Blick hinter die Gesundheitsfassade stellt man ganz schnell fest, das niemand eine spezielle „Gehirn-Diät“ fordert, die mentales Junkfood grundsätzlich vom täglichen Speiseplan streicht.

Im Gegenteil: Wir konsumieren immer mehr Information, Kommunikation und Medien. Sieben Tage in der Woche, vierundzwanzig Stunden am Tag. Da kommt einiges zusammen. Und das meistens einseitig, maßlos und unkontrolliert. Welche Konsequenzen das für uns hat und welche gesundheitlichen und persönlichen Reibungsverluste hierdurch entstehen, ist uns häufig nicht bewusst.

Akute Gefahr für die mentale Gesundheit

Einer der Gründe dafür mag sicher in der Tatsache liegen, dass der Mensch in seinen Entscheidungen nicht generell vernünftig handelt, sondern beschränkt ist. Er ist nicht in der Lage, optimale, sondern lediglich eine für ihn angemessene Entscheidung zu treffen. Aus Zeitmangel, Informationsmangel, Unfähigkeit oder anderen Gründen ist ein vollständig rationales Verhalten nicht möglich. Zu diesem Ergebnis ist zumindest der amerikanische Sozialwissenschaftler Herbert Simon schon vor Jahrzehnten in seinem eingeführten Konzept über die begrenzte Rationalität gekommen. Denn wüssten wir um unsere rationale Unfähigkeit, würden wir uns sicher viel öfter fragen, ob das, was wir unserem Kopf täglich an medialer Nahrung, aber auch an Personen und Meinungen zumuten, wirklich gut für uns ist. Viele Menschen achten zwar streng darauf, niemals in einen Hamburger zu beißen, hören aber allen möglichen Meinungen und Ansichten zu obwohl ihnen danach erstmal tagelang übel ist. Viele reden von Stress am Arbeitsplatz, obwohl sie sich nach Feierabend zu Hause mit der gleiche Tätigkeit weiter belasten. In der gleichen schädigenden Haltung für den Rücken, die Augen und das Gehirn.

„Alles von allen zu wissen. Wir sind zwar sozial vernetzt, aber dadurch nicht tatsächlich angebunden.“ (Deanna Zandt)

Unbestritten hat sich das Verhalten vieler Menschen durch die digitalen Medien stark gewandelt. So ist es in der vernetzten Gesellschaft ganz selbstverständlich geworden, sich immer mehr in den sozialen Medien zu treffen anstatt persönliche Kontakte zu pflegen. Allein aus Angst vor ernsthaften medialen Informationslücken verbringen aber viele Jugendliche und Erwachsene mehr Zeit auf Facebook, Whats App oder Instagram als mit ihren Freunden oder der Familie.

Ganz sicher profitieren wir zwar grundsätzlich von der Vielfalt der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten in unserer Lebens- und Arbeitswelt, verkennen aber auch leichtfertig die negativen Auswirkungen, die durch die wachsende Schnelllebigkeit und Menge von Informationen für die Gesundheit entstehen.

„Die Generation der Fitness-Jünger nimmt das Thema der mentalen Gesundheit nicht ernst genug“

warnt die Journalistin Astrid von Fries. Das Problem sei eine grenzenlose Nutzung der neuen Medien, die nicht nur krank sondern auch süchtig machen könne.

Während man also einem chronisch Übergewichtigen zu einer strengen Diät raten würde, fragt sich keiner ernsthaft ob die ständigen Kopfschmerzen oder Konzentrationsstörungen möglicherweise auf den übermäßigen Genuss von mentalem Junk Food zurückzuführen sind.

Wir sind sozial vernetzt, aber nicht tatsächlich angebunden

Seit einiger Zeit beleuchten auch schon zahlreiche Studien, wie sich die intensive Nutzung sozialer Plattformen auf die Psyche und letztlich auch auf unsere Gesundheit auswirkt. So kommt eine Langzeitstudie der Universität Montreal, die rund 4000 Teenager über vier Jahre begleitete, zu dem Ergebnis: Je mehr Zeit die Probanden mit sozialen Medien verbrachten, umso stärkere depressive Symptome entwickelten sie.

Das kuschelige Aufgehobensein in einer virtuellen Gemeinschaft, das sich die sozialen Netzwerke auf die Fahnen schreiben, trifft jedenfalls nicht automatisch auf alle zu. Das Gegenteil ist der Fall, weil es sich lediglich um eine vermeintliche Kommunikation handelt, bei der man glaubt. „Alles von allen zu wissen. Wir sind zwar sozial vernetzt, aber dadurch nicht tatsächlich angebunden, “ sagt die Medienentwicklerin Deanna Zandt. Die derzeitig digitale Kultur mache schleichend einsam, weil sie keinen Freiraum für Echtheit, Verbindungen oder Verletzlichkeit ließe. Auch Professor Heuser, Psychiaterin an der Berliner Charité ist der Ansicht, dass die

„ständige Erreichbarkeit und das übermäßige Nutzen der sozialen Plattformen zu einer kognitiven Überlastung (communication overload) führt.“

Sind wir permanent einer solchen Anforderung ausgesetzt, kommt es häufig zu Dauerstress und Gesundheitsproblemen.“

Der Mensch ist rational beschränkt

Nun haben wir es endlich „schwarz auf weiß“: Der Menschen ist ein Gewohnheitstier. Ihm fällt es schwer ungesunde Gewohnheiten zu ändern. „Je größer die Auswahl und je komplexer die Entscheidungsprozesse, desto eher neigt er dazu sich einfacher Muster zu bedienen, um das Entscheidungsproblem zu lösen,“ schreibt Prof. Miriam Meckel in ihrem Buch über das Glück der Unerreichbarkeit. Die Folge ist, dass viele täglich immer noch stundenlang vor dem Fernseher sitzen oder sich freiwillig stundenlang in den sozialen Medien stressen. Wir verbringen zu viel Zeit mit Menschen, die uns nicht wertschätzen, sehen uns schlechte Kinofilme an und laden uns dabei mit jeder Menge Spannung und Drama auf. All das ist schädlicher als jede Tafel Schokolade und ändert nichts an der Tatsache, dass übermäßiges unkontrolliertes Verhalten dazu neigt, den Konsum zu konditionieren und somit eine erhebliche gesundheitliche Gefahr darstellt.

Wären wir also vernünftig, würden wir uns öfter daran erinnern, dass wir bestimmt kein verdorbenes Stück Fleisch essen würden, nur weil wir gerade Hunger haben. Wir wären anspruchsvoll und würden aus der Vielfalt des Angebots nur das Beste auswählen. Alles Einseitige, Maßlose und Unkontrollierte wäre für unser überreiztes Hirn verboten. Gönnen wir ihm also mehr Erholung. Nichts und Niemand kann uns daran hindern, endlich NEIN zu sagen. Tun wir es einfach.

Viel Spaß beim Ausprobieren.

Photo: Digitalartists on pixabay

3 Kommentare zu „Overload – Das unsichtbare Gift

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